Grundlagenmusik

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ARGO: Essel, Hoffmann, Stett
Wunderlich, Rom
Audience

Connections
Experimentelle Musik
Stephan Wunderlich
Michael Barthel
René Bastian
Hans-Leo Rohleder
Rolf Langebartels
SKOP Frankfurt

Verein für experimentelle Musik Darmstadt

Polygon

Wie flüchtig ist Musik?
Premiere eines Projekts: „Polygon" in der Darmstädter Orangerie
Ulfert Goeman im Darmstädter Echo, 25. April 1991

Eine neue künstlerische Arbeitsgemeinschaft in Darmstadt nennt sich „Polygon“. Sie versucht, freie Musik und experimentelle Kunst mit zeitgenössischem Jazz (was das auch immer sein mag) zu verknüpfen. Organisator war das Multikulturbüro. Das Gründungskonzert am Dienstag abend in der Darmstädter Orangerie wurde vom Kulturamt der Stadt unterstützt.

Ziel der Künstler ist es, eigene Erfahrungen und Anliegen weiterzugeben, die Bühne - in der Orangerie wurde abwechselnd auf drei Bühnen gespielt - als Ort der Kommunikation einzusetzen. Dies ist wohl der rote Faden, der die Aktionen der neun Programmteile verknüpft.

Mit Ventilation, Beschallung und Beleuchtung umschreiben Christoph Nees, Marc Behrens und Horst Turner ein infernalisches Bühnengetöse mit Saxophonüberblasung und Bildprojektionen, um Ängste zu musikalisieren. Unter der Aufschrift „Alte Schuhe wirken ärmlich“ sitzen an der Seitenwand der Orangerie zur „sprachlosen Klangerzeugung“ zwei echte Darmstädter Penner. Eine Gegenwartsspiegelung von Hans- Lee Rohleder. Norbert Grossmanns und Christian Geinitz' lmprovisationen mit Synthesizer, Klavier und Querflöte wirken durchgeistigt. Gute Ansätze von Klangstrukturen werden jedoch nicht entscheidend genutzt. Die Kombination von Live-Tonband und Radio, die Hans Essel „Zeitfalten“ nennt. ist eine Spielerei für Heimlabor, zeigt andererseits aber exemplarisch die Stagnation der gegenwärtigen Musikszene. „Zuordnung über den Standpunkt im Kreis“ nennen Wolfgang Nöcker und Gerhard Schreiner ihre musikalische Interaktion für fünf Instrumentalisten und einen „Trainer“, der mit der Stoppuhr die Zuordnung der Musiker im Kreis bestimmt. In einem um zwei Mitspieler (Michael Eicken, Ulrich Partheil) zum Quartett erweiterten Kreis zeigt dann der einzige Profi unter den Mitwirkenden, der Jazzbassist Jürgen Wuchner zusammen mit Tom Nicholas an den Tablas, wo der Jazz beginnt und wo die freie Improvisation Ihre Fesseln findet.

Michael Harenbergs unaussprechliches Stück, das man mit „Das Wahr-Gelogene“ übersetzen kann und in Birte Schulz' Cello-Performance seinen sichtbaren Ausdruck findet, ist mehr als nur Secondhandmusik (Tonband) aus erster Hand (Cello).

„Flüchtige Musik“ nennt Hans Essel in seiner Gruppe Argo die Linien, die er im Trio mit Marit Hoffmann (Geige) und Themas Stett (Klarinette) in spontaner Ausreizung der Spieltechniken dieser Instrumente übereinanderlegt. Damit wirken sie zufällig und irgendwie austauschbar.

Den Abschluß bildete ein Improvisationsorchester unter der Leitung von Christian Geinitz mit einem „Handzeichenstück". Die an- und abschwellenden Klangorgien über einen ostinaten Grundton waren zu- gleich Resumée des Abends.


DE 25.4.1991: Polygon